Das Pornfilmfestival Berlin ist und bleibt auch in seiner mittlerweile 12. Auflage eines der ungewöhnlichstes Filmfestivals. Nicht nur in Berlin, sondern gleich weltweit gesehen, tritt man an, um gewohnte Vorstellungen von Moral, Spießigkeit, Sexualität, Geschlechternormen oder Schamgrenzen weit hinter sich zu lassen.
Und so werden beim Pornfilmfestival Berlin, welches in diesem Jahr in der Zeit vom 24.10. – 29.10.2017 stattfindet und bereits Dienstags beginnt, fast 150 filmische Beiträgen aus Ländern wie Japan, Brasilien, China, Südkorea, Argentinien, Australien, USA, Mexiko oder Thailand zu sehen sein, die sich mit Sexualität in all ihren Spielarten auseinandersetzt.
Das reicht von weiblicher Emanzipation im Spannungsfeld rigider Religion im indischen Film „Lipstick under my Burkha“ über eine feministische Betrachtung von weiblicher Sexualität in jedem Alter in „Ages of Sex“ aus Spanien bis hin zu „Berlin Drifters“, einer schwulen Entdeckungsreise eines Japaners in Berlin in.
Pornfilmfestival Berlin mit „Les Prédatrices“ von Ovidie
Eröffnet wird das Pornfilmfestival Berlin, welches nun einen zusätzlichen Tag bekommen hat, mit dem Film „Les Prédatrices“ der feministischen, französischen Pornofilmregisseurin Ovidie, die schon mehrfach beim Pornfilmfestival zu Gast war. In diesem hochwertigen Sexfilm geht es um eine Gruppe sexhungriger Frauen, die sich selbstbewusst und schamlos nehmen, wonach ihnen – sexuell – der Sinn steht.
Wie jedes Jahr legt das Pornfilmfestival Berlin großen Wert darauf und versucht, dass mindestens die Hälfte seiner Beiträge aus der Sicht von Frauen im Programm zu haben. Der weibliche Blick auf Sexualität, aber auch auf die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und Geschlechternormen ist seit jeher eines der zentralen Themen des Pornfilmfestivals.
So ist Ovidie auch noch mit einem zweiten FestivalBeitrag, in Form ihres Films „Pornocracy“ im Festivalprogramm vertreten. In diesem ist sie erstmals als Dokumentarfilmerin unterwegs und geht der Frage nach Strukturen, Macht- und Einkommensverhältnissen in der Welt der Online-Pornoplattformen nach.
Erotik-Ikonen: Cicciolina, Tom of Finland, Brent Corrigan und Jayne Mansfield
Das Pornfilmfestival Berlin huldigt auch in diesem Festivaljahr den Ikonen des Erotikfilms und der sexuellen Befreiung. In diversen Bio-Pics und Dokus geht es um Pioniere und Pionierinnen auf dem Feld der Erotik. Darunter befindet sich auch der italienische Superstar, die Ex-Pornoschauspielerin und Politikerin „La Cicciolina“ im gleichnamigen und sehenswerten Film.
Um die steile Karriere des schwulen Pornostars Brent Corrigan (geb. 1986) geht es im prominent besetzten Biopic „King Cobra“ mit James Franco und Christian Slater. Als Hommage an den Star zeigt das Pornfilmfestival Berlin außerdem den Film „Brent Corrigan’s Heat“ aus dem Jahr 2010.
Die Wahrheit über Busenwunder und Inbegriff der „dummen Blondine“ Jayne Mansfield wird im Film „Mansfield 66/67“ ans Licht gebracht und zugleich wird hinterfragt, welches Frauenbild hinter welchen Klischees von „Sexidolen“ eigentlich steht – von denen eine Jayne Mansfield im Grunde kein einziges erfüllte.
Der berühmte „Erfinder“ des schwulen Ledermanns mit perfektem Körper und Erotik bis zum Anschlag war der unscheinbare finnische Zeichner Touko Laaksonen (1920–1991), dem in „Tom of Finland“ ein filmisches Denkmal gesetzt wird.
Beendet wird das Pornfilmfestival Berlin mit dem spanischen, schon jetzt als Kultfilm zu bezeichnenden „Pieles“, in dem Menschen Körperöffnungen und Genitalien an ganz unvermuteten Stellen und körperliche Befindlichkeiten und Besonderheiten an sich haben, die so wohl noch nie in einem Film zu sehen waren!
15 Kurzfilmprogramme von Politik bis Lokalkolorit im PFF Programm
Besonders beliebt beim stets bunt gemischten hetero-, homo- und transsexuellen Festival-Publikum aus aller Welt sind die Kurzfilmprogramme: 105 Kurzfilme, aufgeteilt in 15 Kapitel wie „Political Porn“, „ Berlin Porn“, „Gay Porn“, „Experimental Porn“, „Lesbian Porn“, „Trans + Queer Porn“, „Female Porn“, „Fetish Porn“ sowie das beliebte „Einsteigerprogramm“ unter dem Titel „Fun Porn“ zeigen ambitioniertes Filmschaffen aus Berlin.
Darunter auch die politischen Ansätze im Porno, in denen vor allem Donald Trump immer wieder eine Rolle spielt, sowie neue Fetische, die selbst das vierköpfige Festivalkuratorium nach all den Jahren noch immer verblüffen können.
Retrospektive: Tatsumi Kumashiro und der Roman Porno
Der „Roman Porno“ war im japanischen Kino der 70er und 80er Jahre das anspruchsvolle Äquivalent zum schnell und billig produzierten „Pinku Eiga“, das zwar dessen Rahmenbedingungen aufnimmt aber höchstens 80 Minuten Spieldauer hat, eine Woche Drehzeit zru Verfügung hat und alle 10 Minuten eine Sexszene bietet. Diese aber mit den professionellen Produktionsbedingungen und dem handwerklichen Know-how des traditionsreichen Filmstudios Nikkatsu zusammenbringt.
„Roman Pornos“ strahlten oft in Scope-Bildern und prächtigen Farben von der Leinwand, ließen ihren Regisseuren aber viele künstlerische Freiheiten, die diese für experimentelle Formspiele und politische Statements nutzten.
Beides ist in den Filmen von Tatsumi Kumashiro deutlich ausgeprägt, aus dem das Pornfilmfestival Berlin, in Kooperation mit der Japan Foundation Tokyo und dem Japanischen Kulturinstitut Köln, fünf Filme als 35mm-Kopien zeigt.
Das PFF macht Schule und bekommt Nachwuchs durch weltweite Ableger!
Die Vielfältigkeit des Pornfilmfestival Berlin, seine Unverkrampftheit, Weltoffenheit und Grenzen sprengende, oft gesellschaftspolitische Pionierleistung inspiriert offenbar weltweit andere zur Nachahmung. So entstanden oder entstehen in den nächsten Monaten Pornfilmfestivals in London, San Francisco, Wien oder Köln, andere Festivals in Rio, Rom oder Paris beziehen sich ebenfalls klar auf das Berliner „Mutterschiff“.
Vertreterinnen und Vertreter dieser Festivals werden neben circa 50 Filmemacherinnen und -machern ebenfalls zu Gast beim Festival sein und man darf gespannt sein, wie sich die „Ableger“ nach über 8.000 Tickets im letzten Jahr in Berlin zukünftig entwickeln werden.
Natürlich werden auch in diesem Jahr wieder die besten Beiträge in den Kategorien „Bester Spielfilm“, „Bester Kurzfilm“ und „Beste Doku“ von verschiedenen Jurys gewählt und mit jeweils 500 Euro honoriert.
Hinzu kommen auch anno 2017 wieder zahlreiche Workshops und Veranstaltungen. Darunter die auch die legendären Festivalpartys und der große Abschlussabend mit Preisverleihung des Pornfilmfestivals Berlin.
Festspielorte sind diesem Jahr ist wieder das Moviemento Kino (Kottbusser Damm 22, Berlin-Kreuzberg) sowie das Spektrum (Bürknerstr. 12, Berlin-Neukölln), während die Performances im Altes Finanzamt stattfinden.
Informationen und alle aktuellen Informationen sowie das ausführliche Programmheft findet Ihr unter: www.pornfilmfestivalberlin.de