Die Dildo-Manufaktur SelfDelve stand in den letzten Jahren schon einige Male im Mittelpunkt unserer Berichterstattung in Punkto Sextoys. Nachdem wir zuletzt den „Spargel Dildo“ einem Test unterzogen haben, erschien es uns doch mal wieder an der Zeit zu sein, um in Dresden anzuklopfen und ein wenig mit Inhaberin Anja Koschemann zu plaudern. Und angesichts des bevorstehenden Jubiläums von SelfDelve im kommenden Jahr, gab es mehr als genug Gesprächsstoff über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der außergewöhnlichen Manufaktur für Sextoys.
Hallo Anja, das letzte Interview ist ja nun schon über 6 Jahre her und seitdem hat sich ja bei Dir bzw. SelfDelve einiges getan. Aber lass‘ uns doch mal für diejenigen, die Dich und Eure Sextoys noch nicht kennen sollten bei der Stunde Null anfangen. Also, seit wann genau gibt es SelfDelve?
Oh ja, viel spannendes hat sich seitdem ereignet. Im Februar 2006 war ich beim Gewerbeamt in Dresden, um meine Manufaktur ganz offiziell als Gewerbe anzumelden. Zuvor hatte ich einige Monate getüftelt und das Anfangssortiment auf die Beine gestellt. Nächstes Jahr kann ich das 10jährige Jubiläum feiern!
Wie bist Du damals überhaupt auf das Thema Sextoys gekommen und später dazu gleich selbst mal welche zu entwickeln und herzustellen?
Private Neugier auf Sexspielzeug war der Anfang von allem. Mir war es unheimlich wichtig, dass mein erstes Spielzeug aus unbedenklichem Material besteht. Vor rund 10 Jahren war die gesunde Dildowelt gar nicht so bunt und vielseitig wie zur Zeit. Ich fand einfach nichts, dass mir persönlich zusagte.
Für mich war das aber kein Grund, den Wunsch fallen zulassen. Statt dessen fing ich an zu basteln und zu lernen, bis ich nach Monaten meinen eigenen Dildo in den Händen hielt, mit dem ich rundum zufrieden war.
Alles war Neuland für mich und so fragte ich viele um Rat, brauchte technische Hilfe. Die erotische Komponente des Projektes war für viele Wochen abgekoppelt, was aber auch dazu führte, das der ganze Freundes- und Bekanntenkreis immerzu den neuesten Entwicklungsstand wusste und mich fasziniert mit Rat und Tat unterstützte.
Der Rest ist schnell erzählt: immer wieder wurde ich gefragt, ob ich nicht noch ein Exemplar der gebogenen Banane gießen könnte. Das unerwartet große Interesse daran führte zu ersten Überlegungen, ob es nicht sogar ein tragfähiges Konzept für eine selbstständige Arbeit sein kann.
Rein rechnerisch sah es durchführbar aus und weil ich mich später nicht fragen wollte „Was wäre gewesen, wenn ich mit Anfang dreißig mutiger gewesen wäre…“ habe ich im Labor gekündigt, mir ein Jahr Zeit gegeben und bin ins kalte Wasser gesprungen.
Ja, und da bin ich nun: ich habe den besten Arbeitsplatz der Welt und diese Entscheidung noch keinen Tag lang bereut.
Das freut mich zu hören und der Erfolg gibt Dir ja seit nunmehr Jahren recht, was Deine damalige Entscheidung betraf. Und da Du gerade ja schon die Banane angesprochen hast: Bezug auf die Natur bzw. Naturprodukte als Vorbild für Dildos zu nehmen ist ja eigentlich so naheliegend wie genial. Wie bist Du damals auf die Idee gekommen?
Wie du schon sagst – die natürlichen Formen sind ziemlich sinnlich und verlockend. Dummerweise gibt es einige K.O.-Kriterien für die Schlafzimmertauglichkeit: Pestizide, holzige Stellen, zu weich, zu steif, usw. Indem ich das beste aus Natur und modernen Werkstoffen kombinierte, funktioniert die Idee.
Wenn Du Dir heute den Markt für Sextoys und insbesondere die Konkurrenz anschaust: Würdest Du sagen, damals alles richtig gemacht?
Ja. Es gibt immer mehr Hersteller, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und kreativ und verantwortungsbewusst produzieren. Das bringt den Erfolg. Die KundInnen schätzen und honorieren den spielerischen, charmanten Umgang mit dem Thema Sex und Selbstbefriedigung. Ich freue mich, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
Und wo siehst Du nach wie vor die größten Unterschiede zwischen den Produkten anderer Hersteller und denen von SelfDelve?
Wir machen uns deutlich mehr Arbeit mit den Details. Bei uns ist der Guss des Dildogrundkörpers erst der Anfang. In weiteren Schritten werden noch Verzierungen per Hand oder Airbrush in andersfarbigem Silikon aufgetragen. Anschließend bekommt jedes Toy noch eine farblose Silikonschicht, die die Spielzeuge glänzen lässt und sehr rutschfreudig machen.
Die meisten Formen sind zudem in verschieden weichen Silikonsorten angefertigt, zwischen denen man je nach persönlicher Vorliebe wählen kann. In unseren Farbmischung ist noch eine nette Besonderheit versteckt. Wir arbeiten mit thermochromen Pigmenten, die auf die Körpertemperatur des Menschen reagieren. So verwandeln sich die Farben während des Liebesspieles und zaubern noch ein bisschen Magie in die Situation.
Selbst die Verpackung ist aufwendiger. Jedes Toy wird in einer silberfarbigen Weißblechdose mit Gleitgelprobe verschickt.
Die Anfertigung in Handarbeit macht es möglich, ganz viele persönliche Wünsche zu erfüllen, was auch gern und oft beauftragt wird. Wer eine besondere Farbe oder individuelle Verzierungen möchte, ist bei uns richtig.
Wie Du es vorhin schon sagtest, ist die Akzeptanz von Sextoys ja insgesamt und zumindest in den Medien weitestgehend gestiegen. Ist dadurch der Markt für Sextoys einfacher oder schwieriger geworden?
Inzwischen – auch mit Hilfe der Medien – sind Toys unkomplizierte Begleiter im Alltag geworden. Fast jede(r) hat eins oder mehrere zu Hause. Inzwischen haben viele Menschen keine Lust mehr auf lieblose Massenware und schauen sich nach schönen Toys um.
Das macht es für uns natürlich etwas einfacher. Es ist fantastisch, dass meine KundInnen recht oft noch ein zweites und drittes Toy aus meinem Sortiment hinterherkaufen. Die solide Arbeit wird anerkannt.
Was mich ehrlich gesagt wundert, ist die Tatsache, dass es noch keinen anderen Hersteller gibt, der Deine Ideen aufgegriffen. Gerade wo doch heute auch bei Sextoys gnadenlos kopiert wird …
Hier und da sehe ich durchaus, dass sich andere auch mit dem Früchtethema beschäftigen. Meine Designs sind halt sehr aufwendig und das ist nicht so leicht zu kopieren.
Du hast damals als Manufaktur und kleiner Familienbetrieb angefangen. Wie groß ist SelfDelve heute und gibt bzw. gab es schon Auszubildende?
Noch immer ist SelfDelve ein Familienbetrieb, auch wenn sich die „Besetzung“ noch mehrfach geändert hat.
Zur Zeit sind wir zu dritt. Das funktioniert, weil ich Aufgaben ausgelagert habe, die ich nicht unbedingt mehr unbedingt selbst machen muss. Ich habe viel lieber Silikon in den Händen, als den Taschenrechner. Fotografieren, Programmieren und andere Dinge können andere besser als ich.
Bei uns waren schon Auszubildende verschiedener Berufe: angehende IT-Fachleute, Fremdsprachenkorrespondentinnen, Maschinenbaustudenten und andere.
Du hast ja auch von Anfang an einen Online-Shop für den eigenen Vertrieb gehabt. Kannst Du sagen, ob Ihr mehr Produkte direkt an Endkunden verkauft oder mehr über den Handel?
Hier bin ich überfragt. Ohne Online-Shop wäre ich aufgeschmissen, denn ich brauche den überregionalen Markt. Wir durften schon in sehr viele Länder dieser Erde liefern. Das ist wirklich aufregend.
Was ist der absolute Topseller unter den SelfDelve Toys?
Am Beliebtesten ist der Maiskolben mit seiner knubbeligen Oberfläche. Es gibt den Maiskolben in einer großen und einer zarteren Durchmesservariante. Je nachdem, für welche Silikonhärte man sich entscheidet, ist das Massagegefühl sanft bis deutlich.
Ich nehme mal verständlicherweise an, dass Du uns jetzt nicht verraten kannst und willst, was als nächstes Produkt auf den Tisch kommt, oder?
Naja, ich habe es schon an anderer Stelle ausgeplaudert. 🙂 Dann kann ich es euch genauso gut auch verraten: als nächstes soll eine Kollektion, die von Süßigkeiten inspiriert ist, in den Shop kommen. Aber ein bisschen Geduld braucht es noch.
Da warten wir doch gerne drauf und hast Du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, auch andere Materialien für die Produktion einzusetzen?
Ich kenne keinen besseren elastischen Kunststoff für Dildos als additionsvernetzendes Silikon. Inzwischen bin ich schon sehr versiert mit dem Material und werde dabei bleiben.
Natürlich interessieren mich Neuentwicklungen der Industrie. Ich kaufe hin und wieder kleine Mengen zum Experimentieren. So konnten wir erstmals in diesem Jahr ein glasklares additionsvernetzendes Silikon finden, das sich für die Produktion von Toys eignet. Die Skulptur „Die Liebenden“ aus diesem durchsichtigen Silikon, in dem kleine rote Herzchen schweben, finde ich ganz bezaubernd.
Du bist ja auch die Umsetzung von Sonderwünschen für Deine Kunden an. Gibt es da einen Wunsch der schon häufiger geäußert wurde und was war der außergewöhnlichste?
Der Mais wurde mehrfach in einer ausgehöhlten Variante bestellt, damit er über den Penis gezogen werden kann und eine ganz intensive Massage möglich macht. Die Idee haben wir aufgegriffen und die MANN-schette entwickelt. Sie wird auch ganz oft gekauft. Schöne Kundenidee – Danke!
Auf den ersten Blick erschien mir der Wunsch, eine Piccoloflasche abzuformen, recht außergewöhnlich. Bei genauerer Betrachtung ist es dann aber wieder gar nicht so seltsam. Die Maße sind auch nicht anders als bei üblichen Dildos. Eine echte Flasche als Spielzeug zu verwenden, ist viel zu gefährlich. In der Silikonvariante macht sie aber ganz bestimmt und unbeschwert Spaß.
Was siehst Du für Dich als größten Erfolg persönlich und in der Firmengeschichte an?
Aus einer spielerischen Idee ein stabiles Unternehmen mit sicheren Arbeitsplätzen und stetem Wachstum in einer großen Branche – als Quereinsteigerin – geschaffen zu haben, macht mich stolz. Selfdelve ist eine starke Marke geworden und ich habe eine Menge Talente in mir entdeckt und geweckt, viele unbekannte Klippen gemeistert, herausragende Menschen kennengelernt und mir den schönsten Alltag geschaffen, den ich mir vorstellen kann. Ich denke, das ist Erfolg.
Das kann wohl mit Sicherheit sagen und unterstreichen. Was wäre Dein größter Wunsch oder Ziel, dass es mit SelfDelve noch zu erreichen gilt?
Mein größter Wunsch ist, dass ich diese meine Reise fortsetzen kann. Ich bin selbst gespannt, wer oder was mir noch alles begegnet und einfällt.
Dann wünschen wir Dir für diese Reise weiterhin alles Gute und viel Erfolg! Und natürlich begleiten wir Dich auch gerne weiterhin und freuen uns auf die Dinge, die da noch kommen werden!