Fรผnf Jahre nach Schande des Dschungels legte der belgische Kult-Karikaturist Picha mit โDas fehlende Gliedโ nach und prรคsentiert damit seine ganz besondere Sicht รผber die Steinzeit und die Entwicklung der Menschheit.
Das fehlende Glied von Picha
Die Geschichte um โDas fehlende Gliedโ beginnt an einem Mittwoch und zwar dem 26 Mai 196303 vor Christus. Und bei Picha steht nicht das Feuer am Anfang sondern vielmehr eine nicht weniger obskure Welt, wie es schon in โSchande des Dschungelsโ der Fall war.
Menschen und Dinos leben friedlich neben einander her und wรคhrend die Saurier bereits miteinander kommunizieren, beschrรคnken sich unsere mehr oder weniger menschlichen Vorfahren noch aufs Grunzen. Auch der aufrechte Gang klappt noch nicht so wirklich, aber dafรผr schauen die Urmenschen den Sauriern immerhin ab, wie das mit der Fortpflanzung vor sich geht.
Im weiteren Verlauf der Geschichte nimmt die Natur ihren Lauf und die Frau des Stammes bekommt ein Kind namens A. Als wenn das noch nicht genug Aufruhr verursachen wรผrde, empfรคngt sie gleich danach noch eins namens O. Dieser wird prompt von seiner Familie verstoรen, da er ganz anders ist, als alle andere.
Um es vorweg zu nehmen steht der spรคtere Titelheld O nicht fรผr sein fehlendes Glied, sondern avanciert stellvertretend fรผr den โmissing linkโ zum โfehlenden Gliedโ in der Entwicklung des Affen zum Menschen. Warum das so ist, erzรคhlt Picha im weiteren Verlauf seiner Geschichte. Das die natรผrlich alles andere als gewรถhnlich verlรคuft sollte dem Zuschauer von vornherein klar sein.
O wird daher von seinem Stamm verstoรen und trifft auf das Brontosaurierbaby Igua, dem das gleiche Schicksal wiederfahren ist. Gemeinsam schlagen sich beide durch die Gefahren der prรคhistorischen Zeit. Dabei wachsen sie dennoch mehr oder weniger allein auf und erkennen, dass viele Schicksale, sei es nun Mensch oder Tier, auf der Enttรคuschung der Eltern beruhen.
Nach einer langen Reise durch โein Bestiarium an Absonderlichkeiten und seltsamen Wesenโ (so das Cover) erlรคutert Picha seine Ansicht รผber das Fressen und Gefressen werden. Als O dann eines Tages in seinem, sich im Wasser zu sehenden, Spiegelbild erkennt, dass er ein Mensch ist, trennt er sich von Igua.
Es folgt die lange und mรผhselige Suche Os nach seinem Stamm, wobei er den Dschungel und die Wรผste durchquert, bis er im ewigen Eis die friedliebenden Nolobs trifft. Diese haben lange vor den Menschen nicht nur ein harmonisches Zusammenleben entwickelt, sondern auch eine Kultur des Essens, Arbeitens und vieles mehr. Tragisch nur, dass O mal wieder fรผr heilloses Chaos sorgt. Infolge seines Treibens fliegen gleich auch noch Adam und Eva aus dem Paradies, er entdeckt mittels eines Drachens das Feuer und das Surfen.
Wie bereits bei โSchande des Dschungelsโ zeigt sich aber gerade in diesen absonderlichen Charakteren und vielen kleinen Details der Facettenreichtum Pichas.
Stellvertretend kann man dafรผr in โDas fehlende Gliedโ auch Os spรคteren Weggefรคhrten Croak ansehen, bei dem es sich um einen klugscheiรenden Pterodactylus handelt.
Gegen Ende und mit Os Rรผckkehr zu seinem Stamm ist dann aber Schluss mit lustig und Picha fรคhrt nochmal eine volle Breitseite auf. Denn nachdem O so viel รผberstanden hat und seinen Brรผdern und Schwestern die Segnungen des Fortschritts in Form von Feuer, dem richtigen Gang und mehr beibringt, zeigt sich mal wieder das die Menschen oftmals nicht wie gewรผnscht reagieren.
Insbesondere dann nicht, wenn man ihnen vermeintlich Gutes tun willโฆ vielleicht wรคre es manchmal tatsรคchlich besser gewesen, wenn das โfehlende Gliedโ noch lange nicht gefunden wรคreโฆ Immerhin reiรt einen das Ende dann nochmal richtig vom Sitz, wรคhrend Leo Sayers den Abspann musikalisch untermalt.
Sicher hat das Picha in โDas fehlende Gliedโ wieder fรผr jede Menge derbe Spรครe und Heiterkeit in 90 Minuten gesorgt, doch offenbart die Laufzeit auch, dass die Story รผber die gesamte Laufzeit etwas dรผrftig ist. Darรผber kรถnnen weder die viel Raum einnehmenden Charaktere wie Croak hinweg tรคuschen noch die fleischfressenden Pflanzen, der zahnlose Sรคbelzahntiger oder die Killerpussies, die das Gegenstรผck zu den bekannten Killerpimmeln darstellen. Weiterhin gibt es noch den Mรถrderefeu, den Maler El Gorilla und vieles mehr.
Umso erfreulicher ist dagegen wieder die Flut an Anspielungen und Zitaten, die von King Kong bis zu Star Wars reicht. Dabei geht es erheblich weniger krass aber weitem subtiler als in โSchande des Dschungelsโ zu. Es fรคllt daher durchaus schwer โDas fehlende Gliedโ auรerhalb des Picha Gesamtwerks als Film einzuordnen.
Ich persรถnlich finde โDas fehlende Gliedโ eindeutig zu lang, auch wenn viele Kritiker gerade diesen Film als unterhaltsamsten und besten Film Pichas ansehen. Die Idee ist an sich ist gut, der Animationsstil passt zum Thema, aber die Story unterhรคlt halt nicht รผber die gesamte Laufzeit. Daran รคndert auch weder Pichas Humor, noch die skurrilen Charakter und abstrusen Einfรคlle etwas.
Im Gesamtkunstwerk Pichas stellt โDas fehlende Gliedโ jedoch ein wichtiges und tragendes Element dar, welches im Gesamtkontext schlรผssig die Entwicklung zu Pichas nรคchstem Film โDer grosse Knallโ bildet. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zur DVD selbst kann man nur sagen, dass die drei Trailer weder innovativ noch kreativ sind, aber wenn man keine Extras hat, kann man auch keine herzaubern. Umso รผberzeugender ist das restaurierte Bild und die saubere Tonspur.
Fans von Picha, sowie alle die es noch werden wollen, sollten sich jedoch auch dieses unkonventionelle Werk von Picha nicht entgehen lassen. Zumal man es sicher so gรผnstig und in dieser Qualitรคt noch nie gesehen hat!
Das fehlende Glied
Originaltitel / Alternativtitel: Le Chaรฎnon manquant
Genre: Erotikfilm, Zeichentrickfilm, Klassiker
Land / Jahr: Frankreich 1980
Laufzeit: ca. ? Min.
Studio / Vertrieb: WVG Medien GmbH
Regie: Picha
Erotik Darsteller: -
Format (Bild + Ton): DVD, PAL 16:9 (anamorph), Dolby Digital 2.0, Deutsch
DVD Extras: 3 Trailer