Mit „Der grosse Knall“ folgt nach „Schande des Dschungels“ und „Das fehlende“ Glied auch der dritte Picha Film als DVD-Neuveröffentlichung bei WVG Medien. Und ohne zu viel verraten zu wollen, ist „Der grosse Knall“ ein echter Knaller!
Pichas Big Bang Theory: Der grosse Knall
„Der grosse Knall“ ist wie nicht anders zu erwarten wieder ein unglaubliches Werk geworden, sodass eine detaillierte Inhaltsangabe ganze Seiten füllen würde, daher beschränke ich mich an dieser Stelle mal auf die wichtigsten Punkte der Handlung, die diesmal in der Zukunft spielt.
Hauptfigur ist der Superheld Fred, der – wenn wundert es bei Picha – so ganz und gar nicht den typischen Superhelden-Klischees entspricht. Vielmehr lebt er mit seiner nervigen Frau hinterm Mond. Hinterm Mond ganz links versteht sich und ein Baby hat er auch noch. Als wenn das noch nicht reichen würde, arbeitet er hauptberuflich bei der intergalaktischen Müllabfuhr. Seine Arbeitskollegen sind mit Conan und Darth Vader auch beileibe keine Unbekannten. Eines Tages entsorgen sie eine Leiche, die E.T. nicht unähnlich ist und so fährt Picha auch hier bereits in den ersten Minuten ein Feuerwerk an Filmzitaten und Referenzen auf. Auch Religionskritik bleibt nicht außen vor als Fred vom Obersten Wesen der Galaxis einen neuen Auftrag erhält.
Als Fred sich drücken will, erfährt der Zuschauer zugleich, dass die Wahl auf ihn fällt, da Superman in der Schwulen-Galaxie weilt und Wonder Woman schwanger und damit zu fett ist, um die Welt zu retten. Soweit noch alles klar? Gut, denn es wird noch besser! Schauplatz von Freds heikler Mission ist nämlich die gute alte Erde, auf der sich einiges geändert hat.
Nach einem Zwischenfall der atomaren Art gibt es nur zwei politische Mächte und Länder: die U.S.S.S.R, in der die Männer leben und Vagina, in der die Frauen leben. Die Männer kamen nach dem Atomkrieg ohne Arsch nach Hause und die Frauen erweisen sich als umso dominanter und haben nur noch Hohn und Spott für die ehemaligen Herren der Schöpfung über. Doch nach dem Krieg ist vor dem Krieg und so führen beide Machtblöcke den kalten Krieg fort. Immer schön angeheizt von den jeweiligen Führern, die Picha gemäß in ihren Attributen vollkommen überzeichnet sind.
Freds Mission besteht nun darin alle Nuklearwaffen einzusammeln, um den Frieden im Universum zu sichern. Nachdem er von Gott und Jesus über seine Mission unterrichtet wurde, landet Fred zuerst in der USSSR mit der Hauptstadt Washingrad. Während im Radio „We were the world“ spielt und das Wetter von Atompilze bestimmt wird, zerbombt die Militärmaschinerie alle vermeintlichen Gefahren und Proteste. Selbstredend dass Superheld Fred in einen Strudel an Abenteuern in der USSSR wie später auch in Vagina verwickelt wird. Dabei kommt noch die Geliebte des Führers ins Spiel, Kämpfe gegen zahlreiche, erneut absonderliche Charaktere wie die Hitler-Kampfroboter oder die beiden ultimativen Superwaffen: Auf der einen Seite die riesige penisförmige Atomrakete „Der Große“, wie auf der Gegenseite eine nicht minder monströse fliegende Kreuzung aus Brust und Vagina. Bevor diese jedoch eingesetzt werden, kommen die konventionellen Kriegs- besser gesagt Waffen zum Einsatz, die natürlich auch grotesk sexualisiert sind.
Wie und ob Fred den vierten Weltkrieg verhindern kann, muss man aber einfach selbst gesehen haben, da es sich wieder absolut jeglicher Beschreibung entzieht. Letzten Endes dreht es sich aber alles um die immerwährende Frage, ob nun die Männer oder Frauen, dass herrschende Geschlecht sind, was beide Seiten nicht nur hier mit Nachdruck unter Beweis stellen wollen.
Picha-Fans wie Gegner können sich in „Der grosse Knall“ an seinem wohl ultimativen Feuerwerk in Sachen derber Gags und vollkommener Geschmackslosigkeiten ergötzen. In seinem Facettenreichtum bleibt es aber auch heute noch nahezu ungeschlagen. Dazu passend hat Picha hier auch abermals seinen Stil passend zum Thema variiert. Meines Erachtens nach handelt es sich um seinen besten, der drei bekanntesten Filme.
Zum Abschluss noch ein Wort zu Picha selbst, der 1942 als Jean-Paul „Picha“ Walravens in Brüssel, Belgien geboren wurde. Neben drei TV-Serien in den 90er-Jahren erschien mit „Snow White: The Sequel“ sein letztes Werk im Jahr 2007. Allerdings beschränkte sich die Verbreitung dieser Werke meines Wissens nach nur auf den französischen Raum und er konnte somit nicht mehr an die früheren Kinoerfolge mit einem Millionenpublikum anknüpfen.
Vielfach werden seine Werke dem Genre der Zeichentrick-Pornos zugeordnet, die insbesondere in den 70er und 80er Jahren populär waren. Diese Einordnung trifft aber bei weitem nicht den Kern seiner drei bekannten Filme, auch wenn sexuelle und teils pornographische Elemente beinhalten. Insofern trifft lediglich der Punkt zu, dass Picha den subversiven Aspekt der Pornographie aufgreift und sexualisierte Bereiche und Gegenstände beziehungsweise Charaktere als ein Element seiner Arbeit aufgriff. Denn vor allem in einem direkten Vergleich mit Werken wie Dornmöschen und Schneeflittchen unterscheiden sich Pichas Werke durch eine völlig andere Bildästhetik und inhaltliche komplexere Ausgestaltung der Geschichten. Somit ordnet sich die grafische Verwendung der Sexualität in der Gesamtbetrachtung der Parodie (wie in „Schande des Dschungels“) oder politischen Karikatur (wie in „Der grosse Knall“) als Stilmittel unter.
Dem entsprechend ist auch der Zeichenstil den Inhalten angepasst und sorgt trotz Pichas unendlich scheinendem Einfallsreichtum nicht gerade für eine erotische Stimmung. Vielmehr nutzt Picha zugleich jede Gelegenheit um sich kritisch zu Themen zu äußern. Mal offensiv wie im „grossen Knall“, mal subtiler wie in „Das fehlende Glied“. Dazu kommt als drittes Element die konsequente Verwendung der Karikatur in Form von Anspielungen auf die Film- und Kulturgeschichte.
In Anbetracht der Komplexität verwundert es umso mehr, dass es Picha damals gelang ein Millionen-Publikum ins Kino zu locken. Und nach dem die Filme jahrelang als Randerscheinung und in teils sehr schlechter Qualität ein Schattendasein fristeten, ist es umso erfreulicher, dass diese drei Filme nun bei WVG Medien in Deutschland neu auf DVD erschienen sind. Zumal alle drei Filme nun mit einem bestmöglichen Bild und zu einem günstigen Preis zu sehen sind. Entsprechend sollte man die Gelegenheit nutzen diese bemerkenswerten Produktionen des europäischen Zeichentrickfilms zu würdigen und sich auch mit ihnen auseinanderzusetzen.
Der grosse Knall
Originaltitel / Alternativtitel: Le Big Bang
Genre: Erotikfilm, Zeichentrickfilm, Klassiker
Land / Jahr: Frankreich 1985
Laufzeit: ca. 75 Min.
Studio / Vertrieb: WVG Medien
Regie: Picha
Erotik Darsteller: -
Format (Bild + Ton): DVD, PAL 16:9 (anamorph), Dolby Digital 2.0, Deutsch
DVD Extras: 3 Trailer