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Die traurigen Mädchen aus den Bergen (2019)

Die traurigen Mädchen aus den Bergen - Cover - Busch Media GroupMit „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ ist das so eine Sache und ich habe mich schon lange nicht mehr mit einer Filmkritik so schwer getan, wie mit den „Sad Girls“. Eigentlich überraschend, denn nach den ersten Infos hatte ich mich sehr auf den Film gefreut.

Erst recht aufgrund der witzigen Grundidee und formalen Erzähl-Struktur in Form einer Mockumentary.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich um den ersten Langfilm des Berliner Porno-Kollektivs Meow Meow handelt. Ein Name, unter dem Candy Flip und Theo Meow, zwei der führenden Köpfe, schon seit einigen Jahren alternative, experimentelle Pornos inszenieren.

Aber mit Vorfreude und Theorien ist es ja bekanntlich immer so eine Sache… also werfen wir zunächst mal einen Blick auf die Fakten und damit zur Handlung.

Inhaltsangabe zum Film: Die traurigen Mädchen aus den Bergen

Der Fake-Dokumentarfilm ist als Parodie auf die unzähligen „Vice“-Internet-Dokus angelegt und begleitet den Investigativ-Reporter Hendrik Adams bei der Recherche zu seiner neuesten Story:

Er befindet sich auf der Suche nach einem Kollektiv von vier jungen und vor allem „traurigen Mädchen“, die sich in die Berge eines unbekannten Landes zurückgezogen haben. Ihre eigene Traurigkeit zelebrieren sie als Akt des Widerstands gegen das Patriarchat.
Ihr isoliertes Dasein finanzieren Tess, Lara, Selma und Momo über selbstgemachte Pornos, die sie im Internet verkaufen. Überschüssiges Geld spenden sie an „Waffen für Rojava”, um kurdische Frauenmilizen zu unterstützen.

Die Clique erreicht als Idol für verzweifelte Teenager und Schreckgespenst für besorgte Eltern schnell Kultstatus im Netz, was Interpol und die Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft. Den Behörden gelingt es jedoch nicht, den genauen Aufenthaltsort der traurigen Mädchen ausfindig machen zu können.Porno-Kollektiv - Die traurigen Mädchen aus den Bergen

Damit wittert Hendrik, der bereits vom südlichsten Scientology-Stützpunkt in der Antarktis bis zu einer psychedelischen, von Sufi-Priestern betriebenen Karaoke-Bar in der Sahara, unzähliges erforscht und aufgedeckt hat, seinen nächsten großen Scoop.
Schließlich kennt er für die Reportagen seines „Gonzo“-Magazins keine Grenzen und Nachrichtenwert und narzisstische Selbstdarstellungen verschwimmen in seinen Video-Reportagen mehr als schnell.

Mittels einer Bargeld-Offerte gelingt ihm dann das Unglaubliche und er erhält die Gelegenheit zu einem Interview. Auf der Reise dahin sieht er sich bereits als „Werner Herzog des Schulmädchenreports“.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt und so gerät nach seiner Ankunft in der Berghütte, die feministische Mikro-Utopie innerhalb kürzester Zeit aus den Fugen.

Die traurigen Mädchen aus den Bergen in Theorie und Praxis

Damit wären wir beim ersten Problem des Films oder zumindest der Tatsache, dass das Werk nicht nur reichlich komplex und tiefgründig ist, sondern zudem auch noch ein Mix aus Mockumentary und Theoriefilm ist, wenn man es denn so bezeichnen will.
Vielleicht überfordert „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ auch schlicht und ergreifend meine intellektuellen Kapazitäten und fesselt mich deshalb nicht ganz so, wie andere Kritiker und ich es selbst anhand der Storyline erwartet habe.Die traurigen Mädchen aus den Bergen (2019) 5

Aber vielleicht liegt das eigentliche Problem ja darin, dass die Mockumentary zugleich noch mit Elementen und Stilmitteln des Arthouse / Essayfilms versetzt ist. Vermutlich ist das ganz einfach, dass weitaus größere Problem, welches sich mit diesem Review vor mir auftürmt und Schreibblockaden verursacht hat.

Denn wenngleich die Story an sich reichlich Unterhaltungs-Potential bietet, erreicht man weder den Unterhaltungswert von „Borat“, geschweige denn von „This Is Spinal Tap“, um mal zwei bekannte Mockumentarys zu nennen. Allerdings erreicht man auch nicht die subversive Kraft noch visuelle Härte von „Mann beißt Hund“ oder „Das Millionenspiel“.
Gut, man hat sicherlich auch weitaus weniger Budget zur Verfügung gehabt“. Aber manchmal ist weniger auch mehr und in diesem Fall wäre mehr „Schulmädchenreport“ und weniger „Werner Herzog“ dem Unterhaltungsfaktor dienlicher gewesen.

Es ist eigentlich nach wie vor ein bedauerlicher Aspekt, den ich nach wie vor beim „jungen“ Deutschen Film der letzten Jahrzehnte nicht verstehe. Warum schaffen es viele gute und mutige deutsche Filme (unabhängig vom Budget) nicht (mehr), eine ausgewogene Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung zu finden?
Dies trifft nicht zuletzt vor allem auf Filme aus dem Erotik-, wie Action- und Horror-Bereich zu. Denn im Gegensatz zu Genre-Filmen, wie zum Beispiel aus Italien, Frankreich und Japan, haben deutsche Produktionen meist einen intellektuellen wie künstlerischen Anspruch, bei dem der Unterhaltungsfaktor stets zu kurz kommt.

Gonzo Journalist auf den Spuren der Sad GirlsAber gut, das ist ein anderes Problemfeld und kommen wir nun zur Praxis: Auf den ersten Blick baut die Mockumentary relativ präzise den bekannten Stil der erfolgreichen Reportagen des VICE-Magazins nach.
So ist auch Redakteur und Moderator Hendrik Adams altersmäßig schon eher am oberen Ende der Millenial-Generation angekommen und erinnert nicht von ungefähr an den Charakter von Stromberg. Immerhin ist er noch jung und „hip“ genug, um vermeintlich lässig mit Hoodie und Kappe für sein Format „Gonzo“ zu recherchieren und es zugleich zu moderieren.
Im Zusammenhang mit dem Thema Erotik / Pornografie ist der Name Gonzo im Vice-Logo natürlich schon eine witzige Idee. Allerdings zugleich auch eine der wenigen, um es vorwegzunehmen. Denn so lustig, wie „die Traurigen Mädchen aus den Bergen“ beginnt, ist es im weiteren Verlauf des Films keineswegs immer.

Großartig gelungen wie grotesk ist jedoch auch die Hintergrund-Geschichte (siehe Inhaltsangabe), der Hendrik mit seiner Kamerafrau Katharina Hübner auf der Spur ist. Dabei gelingt es dem Film vortrefflich, den Stil des parodierten auf Jugend getrimmten Formats zu imitieren und auch die Mädchen erscheinen als Parodie auf YouTuber, die nicht mehr ganz so „hip“ wirken, wie sie es vielleicht mal (gerne) gewesen wären.

Nicht minder vortrefflich passen dazu auch andere Szenen, wie die, in denen Hendrik über sich selbst witzelt oder Altherrenwitze über seine Kamera-Frau anbringt. Aber auch die Szene, in der er die Mutter eines der Mädchen trifft und sie in ihrer Küche interviewt. Das erinnert nicht von ungefähr an die einschlägigen Pseudo-Mitleids-Sozialreportagen diverser Privatsender.

Das alleine wäre für sich schon in Sachen Parodie und Medienkritik gut gewesen. Allerdings belassen es die Macher nicht dabei. Vielmehr legen sie noch eine Schüppe drauf und thematisieren die Konfrontation des hochaufgeklärten Mannes, der vermeintlich zur Selbstreflexion fähig ist, mit dem Typus feministischen Mädchen, denen er trotz allem Wissens und/oder eigentlichen Unwissens unterlegen ist.

Die traurigen Mädchen aus den Bergen (2019) 6

Daraus entwickeln sich im weiteren Verlauf des Films sehr theoretische Diskussions-Linien, um die Figuren herum, die weit darüber hinausgehen eine Medien-Parodie auf besonders gekonnte Weise mit pornographischen Szenen und feministischer Attitüde und Ästhetik zu entwerfen. Vielmehr konfrontiert man den Zuschauer mit einer Vielzahl von Fragen zur sozialen Herkunft, Sex, Kapitalismus, Feminismus, Patriarchalismus, strukturellen und institutionellen Verwerfungen, Aktivismus der unterschiedlichsten Form ohne jedoch echte Antworten zu liefern. Das wäre allerdings auch vermessen und nicht das Anliegen noch Ziel des Films.

Allerdings wirft man auch keine neuen Fragen oder Thesen auf, die über die seit Jahren gestellten hinausgehen, sondern verliert sich in der eigenen Theoriebegeisterung. Immerhin gelingt es im Ganzen gesehen dennoch eine Porno- und Medien-Satire zu sein, die mit ihrem intellektuellem wie theoretischem Überbau für sich genommen sehenswert ist.

Über den Film oder „Wie sollen wir auf die Barrikaden steigen, wenn wir es nicht mal aus dem Bett schaffen?“

Die Webseite zum Film, www.sadgirls.de ist zudem als multimediales Projekt nicht nur Promotion für den Film, sondern auch handlungstechnisch in diesen eingebunden: Hier verkaufen die Protagonistinnen selbstgemachte Erotik über Web-Abos an die meist männliche Kundschaft: „Wir lassen das Patriarchat für uns arbeiten“.
Aus dem Webseiten-Manifest: „Wir sind linke Passivistinnen, und wir sind stolz darauf! Unsere Mission: Gegen das Patriarchat anheulen.“

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„Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ ist der Gewinner des Pornfilmfestivals Berlin 2019 in der Kategorie „Bester Spielfilm“. Begründung der Jury zur Auszeichnung: „Es ist ein Film der durch seine Originalität, Metaness, cleveren Humor und zeitlich passende politische Kommentare auffällt.“ An dieser Stelle übrigens noch einen Gruß an Jochen Werner, der auch einen Kurzauftritt im Film hat.
Große Anerkennung gewann er auch im Programm zahlreicher internationaler Festivals, darunter Split Film Festival (Kroatien), LGBT Film Festival Ljubljana, Fringe! und dem Queer Film Fest London.
Seit Oktober 2019 lief er erfolgreich im Berliner Moviemento und anderen Programmkinos.

Nach der Aufführung auf Festivals und einem kleinen Kinostart ist „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ nun auch fürs Heimkino erhältlich. Für die Auswahl dieses Titels muss man der Busch Media Group durchaus Respekt zollen, denn der kommerzielle Erfolg dieses mutigen Werkes dürfte wohl eher bescheiden ausfallen.  Aber verdient haben es die Macher auf jeden Fall!

Der Film ist seit Ende April auf DVD/Blu-Ray ungeschnitten als FSK18 Fassung erhältlich. Die VOD-Version ist zwar genauso lang, enthält aber eine von den Machern selbst entschärfte FSK-16-Fassung. Diese enthält vereinzelt andere, weniger freizügige Bilder, damit der Film überhaupt von Portalen ins Programm genommen wird. Manchmal haben die alten Medien dem Streaming-Wahn doch noch was voraus …

Über die Macher/-Innen: Candy Flip & Theo Meow

Candy Flip und Theo Meow - Die Macher von den traurigen MädchenRegisseurin Candy Flip, Jahrgang 1990, studierte erfolgreich Psychologie mit Diplomabschluss.

Anschließend entschied sie sich, dem züchtigen Leben Adieu zu sagen und ihr Geld von nun an als „Highclass-Escort und professionelle Sub“ zu verdienen. Zudem dreht Candy Pornos, sowohl vor als auch hinter der Kamera.

Sie spielte eine der Hauptrollen in Shu Lea Cheangs „FLUIDØ“ (Premiere: Berlinale 2017) sowie in „Scotch Egg“ (2018) von Bruce LaBruce. „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ ist Candys Langfilm-Debüt als Regisseurin.

Mein Film handelt nicht davon, wie wir der ‚Gesamtscheiße‘ entkommen können. Weil ich es selbst nicht weiß. Stattdessen versuche ich mich an einer Bestandsaufnahme der aktuellen Geschlechterwirren. Der Film begibt sich tief hinein in die Welt des männlichen Blicks, um so zu ihren inneren Widersprüchen vorzudringen.“

Regisseur Theo Meow, geboren 1989, verdient sein Geld tagsüber mit Texten. Nachts dreht er sexuell explizite Filme. Als Diplom-Psychologe und Wissenschaftsjournalist bereitet er knifflige Themen aus der Forschung für ein breites Publikum verständlich auf. Aber wie lässt sich Erotik eigentlich visuell vermitteln? Als Filmemacher fasziniert ihn, wie sich innere Vorgänge mit der Kamera einfangen lassen.

Als Regisseur schuf er mehrere Kurzfilme, darunter „HANNA & DIE KETA-BOYS“ (Premiere: Pornfilmfestival 2016). An der Kamera wirkte er an Maria Beattys Film „Spit & Ashes“ (2019) mit, außerdem übernahm er die Co-Regie für „Hunger“ (2019) aus Erika Lusts XConfessions-Serie. „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ ist Theos erster Langfilm.

Die traurigen Mädchen aus den Bergen Szenen-Foto

Das Fazit zum Film

Die traurigen Mädchen aus den Bergen ist für eine bestimmte kleine Zielgruppe sicherlich ein großartiger Film, scheitert aber an seiner inhaltlichen Überfrachtung mit Themen und will zu viel auf einmal. Wer hier also Titten und ein seichtes Erotik-Programm erwartet ist wirklich fehl am Platz. Wer sich dagegen auf die Gedankenspiele der traurigen Mädchen einlässt, kann vielleicht sogar noch was lernen. Masturbation fürs Gehirn und weniger für die Hose


Die traurigen Mädchen aus den Bergen
  • Alternativtitel: The Sad Girls of the Mountains
  • Genre: Dokumentarfilm, Komödie, Mockumentary, Erotik
  • Land / Jahr: Deutschland 2019
  • Laufzeit: ca. 85 Minuten
  • Studio / Vertrieb: Busch Media Group
  • Regie: Theo Meow, Candy Flip
  • Darsteller: Hendrik Adams, Candy Flip, Katy Biz, Jenz Mau, Andrea Vupa Vulva
  • Format (Bild + Ton): 1,78:1 (anamorph/16:9), Region B/2, Deutsch DTS-HD, Blu-ray, DVD und Stream (u.a. bei Amazon) erhältlich
  • Extras (DVD/Blu-ray): FSK18 Uncut, Trailershow, Wendecover, Nicht verwendete Szenen, Diashow
  • Auszeichnungen: Bester Spielfilm (Pornfilmfestival Berlin 2019)

Die traurigen Mädchen aus den Bergen (2019) 8

Gesamtwertung

Zusammenfassung:

"Die traurigen Mädchen aus den Bergen" ist eine Mockumentary, die als Mediensatire investigative Formate a la "Vice" gelungen parodiert und mit einer humorvollen Hintergrundgeschichte aufwartet. Leider wirkt der Festivalhit mit seiner restlichen Programmatik heillos überladen, was den Unterhaltungswert einschränkt und sehr theoretisch wirkt. Dennoch eine mutige deutsche Alternativ-Independent-Produktion, die für sich genommen sehenswert ist.
Tom
ist der Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von German-Adult-News.com. Neben der Tätigkeit für GAN ist Tom auch noch als freier Texter und Redakteur für andere Blogs, Online-Shops und Magazine (On- und Offline) aktiv. Die Themen-Bandbreite reicht dabei von Entertainment & Medien bis hin zu E-Commerce. Geboren und wohnhaft im Herzen des Ruhrgebiets ist Tom seit vielen Jahren glücklich verheiratet und stolzer Vater.

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"Die traurigen Mädchen aus den Bergen" ist eine Mockumentary, die als Mediensatire investigative Formate a la "Vice" gelungen parodiert und mit einer humorvollen Hintergrundgeschichte aufwartet. Leider wirkt der Festivalhit mit seiner restlichen Programmatik heillos überladen, was den Unterhaltungswert einschränkt und sehr theoretisch wirkt. Dennoch eine mutige deutsche Alternativ-Independent-Produktion, die für sich genommen sehenswert ist.Die traurigen Mädchen aus den Bergen (2019)