Nachdem Russ Meyer mit dem Meisterwerk „Lorna“ zu neuen Horizonten aufbrach, folgte bereits ein Jahr später das nächste Werk namens „Mudhoney“. Im Vergleich zu „Lorna“ legt Russ Meyer hier nochmals nach und das in nahezu jeder Hinsicht.
Mudhoney: Im Garten der Lust
So präsentiert er hier ein agiles und mit voller Obszönität versehenes Szenario an durchgeknallten Typen, fantastischen Frauen, fehlgeleiteten Christen, Hinterwäldlern und Spießbürgern. Damit offenbart er zugleich den unschönen Blick auf das weiße Proletariat fernab der großen Städte, was im krassen Gegensatz zu den damals gängigen und etablierten Hollywood-Verklärungen steht.
Doch zuvor leistet sich Meyer noch einen unverschuldeten Fehltritt. Er erklärt sich bereit, von Produzent Al Zugsmith, die Regie zu der deutsch-amerikanischen Co-Produktion „Fanny Hill“ in Berlin anzunehmen.
Der Film ist zwar nur in Teilen von Meyer zu verantworten, da bekanntlich zu viele Köche (Produzenten) den Brei verderben, und der Film gleich mehrfach umgeschnitten wurde. Aber immerhin lernt Meyer während der Dreharbeiten den Umgang mit unzuverlässigen Produzenten, einem großen Set und zu guter Letzt auch die Darstellerin Rena Horten (aka Renate Hütte) kennen, und für einige Zeit auch lieben. Zumindest sind alle Szenen von Meyer handwerklich perfekt in Szene gesetzt und hatte auch nicht das schwache Drehbuch zu verantworten. „Fanny Hill“ entstand übrigens auf deutscher Seite unter der Leitung von „Atze“ Brauner (CCC-Filmkunst).
Zurück in den Staaten, entschließt sich Russ Meyer dennoch mit Zugsmiths Schwiegersohn George Costello zu arbeiten, der eine ganz andere Arbeits- und Denkweise als sein Schwiegervater an den Tag legt. Costello fungiert bei „Mudhoney“ als Co-Produzent und arbeitete auch bei späteren Meyer-Produktionen mit. Er ist es auch, der Meyer empfiehlt den Roman „Streets paved with Gold“ (Friday R. Locke), nach einem Drehbuch von W.E. Sprague (u.a „Conan) zu verfilmen. Meyer selbst hält davon zunächst wenig, da der Roman viel Handlung aber keinen Sex enthält. Entsprechend kürzt und ändert er die Story schon beim Dreh nach seinen Vorstellungen.
Leider sollte er jedoch mit seinen Befürchtungen Recht behalten, da der fertige Film unter dem Titel „Rope of Flesh“ in jeglicher Hinsicht floppt. Hinzu kommt, dass viele das Werk (aufgrund des Plakats mit der Lynchszene) für einen Horrorfilm halten. Doch Meyer wäre nicht Meyer, wenn er direkt aufgegeben hätte …
In Anlehnung an ein Oscar Wilde Zitat, ändert er den Titel in „Mudhoney“ um, und dreht etliche Szenen, vor allem nackte, nach. Wie so oft in seiner Karriere, hatte er damit das richtige Gespür und nach und nach stellt sich der kommerzielle Erfolg an den Kinokassen ein. Viele Jahre später kristallisierte sich zu Recht auch die Meinung vieler etablierter Filmjournalisten heraus, dass „Mudhoney“ zu Recht als das „vernachlässigte Meisterwerk“ im Gesamtwerk Meyers angesehen wird.
Welche extremen Gegensätze „Mudhoney“ aufbietet, war ja bereits kurz in der Einleitung zu lesen und als Essenz lässt sich am besten der Auszug von Hans Peter Kochenraths Kritik, anlässlich des deutschen Kinostarts von 1970 anbringen: „Mütter, die ihre Töchter verkuppeln; Ehemänner, die ihre Frauen vergewaltigen; Prediger, die zum Lynchmord aufrufen: Ein bösartiges, würde loses Bild der amerikanischen Gesellschaft…“
Die Geschichte des Films spielt in den USA während der 30er Jahre und zur Zeit der großen Depression. Das Schicksal nimmt seinen Lauf mit der Vergewaltigung von Hannah (Antoinette Christiani), die von ihrem besoffenen Ehemann Sidney Branshaw (Hal Hopper) mal wieder aufs übelst vergewaltigt wird.
Die Rettung naht mit Verspätung und in Form von Calif McKinney (John Furlong). Besagter Calif ist zu Fuß auf dem Weg nach Kalifornien, um sich dort niederzulassen und sein Glück zu finden. Bevor er jedoch Hannah kennen lernt, trifft er auf die taubstumme, wie schöne Eula (Rena Horten). Die muss im Mini-Bordell ihrer durchgeknallten und zahnlosen Mutter Maggie Marie (Princess Livingston) mit Schwester Clara Belle (Lorna Maitland) anschaffen. Zum Kreis der Stammkunden gehört neben dem einfältigen Farmarbeiter Injoy (Sam Hanna) natürlich auch der Bösewicht Sidney. Im Bordell erfährt Calif von einem Job auf der Farm der Branshaws, die eigentlich dem alten und kranken Onkel (Stuart Lancaster) von Hannah gehört.
Calif bewirbt sich und gerät schnell und unverschuldet mit Sidney aneinander, was den Auftakt zu einem wilden Inferno bietet. Sidney dreht immer weiter ab, vögelt sich fröhlich durchs Bordell und prügelt sich durch die Gegend, was mit einem tödlichen Angriff auf den armen Onkel Lute endet. Calif und Hannah entdecken ihre Zuneigung zueinander, auch wenn Hannah Sidney weiterhin hörig ist.
Der Charakter und schon fast schon obligatorische Prediger (Frank Bolger), in diesem Fall Bruder Hanson, tritt noch stärker als in Meyers früheren Filmen hervor und spielt diesmal erstmals als eigenständiger Charakter mit. Damit verlässt er auch die passive Rolle des Erzählers und die Sex- und Gewaltexzesse erfassen die ganze Stadt. Am Ende regiert der wahnsinnige Lynchmob die Straße und das tragisches Schicksal nimmt seinen Lauf…
Wie zuvor in „Lorna“, endet auch „Mudhoney“ mit einem bitteren Fazit: „Das Böse in einem Mann kann der Fluch aller werden.“ Und wer diesen Film gesehen hat, wird dem sicherlich uneingeschränkt zustimmen.
Angesichts der komplexen Handlung und der vielen Charakter ist es schon eine beachtliche Leistung, dass Meyer dies mit seinem bis dato größtem, aber im Verhältnis immer noch bescheidenem, Budget von ca. 60.000 Dollar dermaßen gelungen umgesetzt hat. Sicherlich trugen dazu die befreundeten No-Name Akteure, wie Profi-Darsteller a la Hal Hopper, Stuart Lancaster, Frank Bolger und John Furlong ihren Anteil bei, die auch in anderen Meyer-Produktionen mitwirkten.
Ganz anders gestaltet sich dies hinsichtlich der Darstellerinnen, bei denen Meyer immer stärker auf gewisse Attribute achtet und sie meist in Strip-Bars rekrutiert. Oftmals tauchen sie, bis auf Ausnahmen wie hier, nur einmal pro Film auf. Zu den Ausnahmen zählen Rena Horten, für die Meyer die Rolle der Eula extra umschreibt, wie auch Lorna Maitland, die hier nach „Lorna“ in der Rolle der Clara Belle zum zweiten Mal zu sehen ist. In beiden Fällen geschieht dies aber nicht zuletzt aus persönlichen Gründen Meyers.
Es gäbe noch viel über dieses Werk zu erzählen, aber irgendwann muss (auch im Internet) Schluss sein. Abschließend kann ich nur sagen, dass man „Mudhoney“ einfach gesehen haben muss und keinesfalls vernachlässigen sollte!
Mudhoney
Originaltitel / Alternativtitel: Rope of Flesh, Im Garten der Lust, Le désir dans les tripes
Genre: Erotikfilm, Sexfilm
Land / Jahr: USA 1965
Laufzeit: ca. 92 Min.
Studio / Vertrieb: Eve Productions / WVG Medien
Regie: Russ Meyer
Erotik Darsteller: Hal Hopper, Antoinette Christiani, John Furlong, Rena Horten, Princess Livingston, Lorna Maitland, Stuart Lancaster, Frank Bolger, u.a.
Format (Bild + Ton): DVD, PAL 4:3, DD 2.0 (dt.)
DVD Extras: -