White Lily ist eine kleine erotische Perle, die in diesen Tagen von der Busch Media Group in Deutschland verรถffentlicht wurde. Und das in vielerlei Hinsicht, auch wenn der Film bei weitem nicht alle, seien es nun Kritiker wie Zuschauer, begeistert. Und um ehrlich zu sein, hรคtte ich White Lily in erotischer Hinsicht schon allein wegen der FSK-Freigabe geflissentlich รผbersehen. Denn seien wir mal ehrlich: es gibt nicht viele softe Erotik-Dramen, die wirklich mitreiรend sind. Und von denen sind die meisten auch Klassiker รคlteren Semesters.
Warum ich White Lily dennoch angesehen habe, liegt neben dem Trailer, รผber den ich eher zufรคllig via The Pool (Busch Media Group) gestolpert bin, vor allem am japanischen Regisseur Hideo Nakata. Aber dazu spรคter mehr!
White Lily: Eine verhรคngnisvolle Affรคre zu Dritt!
Die renommierte Bildhauerin Tokiko (Kaori Yamaguchi) lebt zusammen mit ihrer besten Schรผlerin Haruka (Asuka Rin). Die beiden, in vielerlei Hinsicht ungleichen Frauen verbindet nicht nur eine berufliche, sondern auch eine sexuelle Beziehung. Diese resultiert jedoch weniger aus einer innigen lesbischen Liebe zueinander, sondern auf den Schicksalen der beiden Frauen:
So rรผhrt Harukas Liebe zu ihrer Mentorin unter anderem auf der Tatsache, dass sie sich als Schรผlerin in der Pflicht sieht, Tokiko nach dem tragischen Unfalltod ihres Mannes in jeglicher Hinsicht zu unterstรผtzen.
Lรคsst man jetzt die sexuelle Komponente auรer Acht, resultiert die bedingungslose Unterwerfung auch stark auf der japanischen Mentalitรคt und Kultur.
Die leidenschaftliche Zuneigung und Verehrung der jungen Haruka, wird jedoch von ihrer Mentorin zunehmend ignoriert und nahezu mit Fรผรen getreten. So genieรt Tokiko die Nรคhe und vor allem kรถrperliche Zuneigung, die ihr Haruka zu Teil werden lรคsst. Auf der anderen Seite lรคsst sich die geachtete Bildhauerin im Zuge ihrer Trauerbewรคltigung zunehmend gehen.
Dies offenbart sich in einem immer stรคrkerem Alkoholkonsum, der mit zweifelhaften One-Night-Stands samt fremden Mรคnnern einher geht. Die bedauernswerte Haruka lรคsst sie jedoch schweigend gewรคhren, weil sie ihrer โMeisterinโ gegenรผber immer noch zu viel Respekt empfindet und sich ihrem Versprechen verpflichtet fรผhlt.
Die angespannte Situation spitzt sich vollends zu, als Tokiko den jungen Satoru als zusรคtzlichen Schรผler aufnimmt. Vรถllig ungeniert beginnt sie gleich in der ersten Nacht eine Affรคre mit ihm. Haruka ist schockiert, muss sich aber eingestehen, dass sie sich gleichermaรen zu Satoru hingezogen fรผhlt. Im Zuge ihres Gewissens- und Gefรผhlskonflikt gerรคt Haruka in einen ausweglosen Strudel aus Ereignissen, in dem sie letztendlich von der Schรผlerin und Geliebten zu einer Dienstmagd degradiert und von Tokiko auch entsprechend behandelt wird.
Bei Dreiern ist halt manchmal doch einer zu viel und erst Recht als im weiteren Verlauf auch noch Satorus junge wie eifersรผchtige Freundin explosive Stimmung zum รberlaufen bringt. Die jeweilige Liebe, sexuellen Begierden und Eifersucht der Protagonisten untereinander, lรคsst die brisante Mรฉnage-ร -trois zum Ende hin verhรคngnisvoll wie รผberraschend eskalieren. White Lily gipfelt in einem exzessiven Psychodrama mit verhรคngnisvollem wie รผberraschendem Ende.
Hideo Nakata oder was The Ring mit White Lily zu tun hat!
โEin prickelnder Erotikfilm von einem der Kรถnige des Horrorgenres? In Japan ist alles mรถglich!โ Mit dieser wohl vortrefflich passenden Aussage wรคren wir auch schon wieder beim Beginn und Ausgangspunkt dieser Film-Rezension. Genauer gesagt beim Grund, warum ich mir รผberhaupt โWhite Lilyโ angesehen haben:
Die mehr oder weniger intime Dreiecksgeschichte โWhite Lilyโ stammt tatsรคchlich von Regisseur Hideo Nakata. Eingefleischten Horrorfilm-Fans dรผrfte er bestens fรผr das japanische Original der Romanverfilmung โTHE RINGโ und die Fortsetzung THE RING 2 bekannt wie beliebt sein.
Mit seinem Meisterwerk des modernen Asia-Horrors trug er maรgeblich zum weltweiten Hype bei und ebnete ihm auch den Weg nach Hollywood, wo er unter anderem das US- Remake von โThe Rings 2โ mit Stars wie Naomi Watts und Sissy Spacek inszenierte. Viel interessanter erscheinen diesbezรผglich jedoch der produktionstechnische Hintergrund und die Film historisch beeinflusste Entstehungsgeschichte von โWhite Lilyโ.
Das Angebot โWhite Lilyโ zu inszenieren, erhielt Hideo Nakata von der vor allem in Japan berรผhmt-berรผchtigten Filmgesellschaft Nikkatsu. Diese gab anlรคsslich des 45. Geburtstag ihrer beliebten โRoman Pornosโ (Abkรผrzung fรผr Romantic Porno) ein Reboot mit fรผnf neuen Genre-Filme in Auftrag.
Unter anderem fiel die Wahl auch auf Hideo Nakata, was unter anderem damit zusammenhรคngt, dass Nakata beim Vater der romantischen Pornografie, Masaru Onuma, als Regieassistent in die Lehre ging. Hinzu kommt, dass der 1961 in Okayama geborene Hideo Nakata seit Abschluss seines Studiums an der Universitรคt von Tokio fรผr Nikkatsu tรคtig war.
Angesichts dieser langen Verbundenheit mit dem Studio verwundert es dementsprechend auch weitaus weniger, dass Hideo Nakata keinerlei Berรผhrungsรคngste mit dem Genre hat.
White Lily und die Auferstehung des Roman Porno von Nikkatsu
Um โWhite Lilyโ einordnen zu kรถnnen, muss man wissen, dass dieser Film einer von insgesamt fรผnf Filmen ist, mit denen Japans traditionsreiches Filmstudio Nikkatsu seinen erfolgreichen โRoman Pornoโ-Filmen neues Leben einhauchen will. Mit dem Ziel an die erfolgreiche รra in den 70er bis spรคten 80er Jahren anzuknรผpfen, sollten fรผnf unterschiedliche Regisseure ihre Vision eines klassischen โRoman Pornosโ auf neue und moderne Art inszenieren.
Wie in den Vorbildern sollte hochsinnlich und in einer extravaganten Bildsprache ein Erotikdrama leidenschaftlich und in ebenso รคsthetischen wie freizรผgigen Bildern neu und unverbraucht erzรคhlt werden.
An dieser Stelle wรคre zum besseren Verstรคndnis noch ein Exkurs in die รคuรerst interessante Historie von Nikkatsu und des japanischen Pink Eiga und dessen Sub-Genres ideal. Das wรผrde allerdings den Rahmen der Rezension bei weitem sprengen. Ich hoffe, ich finde noch mal irgendwann die Zeit dazu โฆ Wissenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings noch, dass die klassischen Roman Pornos nie lรคnger als 80 Minuten waren und alle 10 Minuten eine Sexszene zu sehen war. Diese war im Gegensatz zu den Pink-Filmen nie explizit und die Regisseure genossen fรผr die รผbrigen Minuten alle kรผnstlerischen und kreativen Freiheiten. Das hatte damals wie auch bei der Neuauflage, die unterschiedlichsten Werke als Resultat zur Folge.
Wรคhrend zum Beispiel der Reboot-Film โAnti-Pornoโ von Sion Sonos ein interessanter wie moderner โMetafilmโ รผber die Pornoindustrie und die Promi-Kultur war, erweist sich โWhite Lilyโ als eher traditioneller Pink-Film. Die Handlung, die sich um die Dreier-Beziehung aufbaut, dient als Grundlage fรผr die dramatische Geschichte wie zugleich fรผr die zahlreichen suggestiven Bilder, insbesondere in Bezug auf intime Kรถrperkontakte und das Verlangen wie Begierde nach kรถrperliche Nรคhe, Verbundenheit und Lust.
Das zeigt sich exemplarisch bei den Nahaufnahmen der Darstellerinnen beim Tรถpfern. Da fรผhlt man sich nicht von ungefรคhr an die berรผhmte Szene von Patrick Swayze und Demi Moore in โGhostโ erinnert. Wenngleich Hideo Nakata dies in einer vรถllig anderen Art zeigt, die vor allem in eine ganz andere Richtung weist. Nรคmlich hin zu einer Liebesgeschichte, die von Obsession und Sehnsucht erzรคhlt, und in der sich Charaktere zwischen tรถdlicher Liebe und Verliebtheit um sich selbst drehen und jeglichen Halt vor- und zueinander verlieren.
An dieser Stelle noch kurz ein Wort zu den Darstellerinnen, die in Japan alles andere als unbekannt sind. So spielte die 28-jรคhrige Rin Asuka (Haruka) unter anderem das beliebte Idol Wakana Sonozaki in der TV-Serie „Kamen Rider W“ und war in einer Vielzahl von Dramen, Filmen und Bรผhnenauffรผhrungen zu sehen.
Kaori Yamaguchi (Tokiko) wurde am 22. August 1974 geboren und blickt schon auf eine lange Schauspielkarriere zurรผck. In โWhite Lilyโ ist sie allerdings zum ersten Mal (mehr oder weniger) nackt vor der Kamera zu sehen.
Aber auch Shรดma Machii (Saturo) ist unter anderem durch die Mitwirkung in โKamen Rider Ex-Aidโ kein ganz unbeschriebenes Blatt, was auch fรผr Kanako Nishikawa gilt, die als seine โFreundinโ in White Lilyโ zu sehen ist.
Fazit zu White Lily:
Ehrlich gesagt, hatte ich im ersten Moment mehr von โWhite Lilyโ erwartet. Denn gerade angesichts der Freiheiten, die Nakata bei der Entwicklung dieses Films hatte, hรคtte das Resultat in der Tat revolutionรคrer ausfallen kรถnnen.
Doch als Ganzes gesehen, รผberzeugt โWhite Lilyโ nicht nur mit elegant gefilmten (sehr soften) Sexszenen, sondern auch mit der Geschichte zweier Frauen, ihrer Last und Lust, die von Obsession und Sehnsucht geprรคgt sind.
Sicherlich ist โWhite Lilyโ kein โThe Ringโ des erotischen Films, aber zumindest ein solide gefilmter Genre-Beitrag in klassisch japanischer Art, nur halt in visuell moderne Bilder gepackt. Das reicht nicht fรผr Jubelarien, kann aber dank seiner Bildersprache in der Kรผrze der Spielzeit unterhalten ohne zu langweilen.
Gerade zum Ende hin, wechselt die erotische Sicht zunehmend zu teils unheilvollen Bildeinstellungen, die vom Kammerspielcharakter und einer dรผsteren Grundstimmung getragen werden. Wenn man dem und den formalen Vorgaben, eines klassischen Dramas samt kultureller japanischer Prรคgung (Inszenierung wie kultureller Prรคgung) nicht abgeneigt ist, erweist sich โWhite Lilyโ als ansehnlich exzessives Psychodrama!
Weitere Informationen zum Film White Lily
- Originaltitel / Alternativtitel: Howaito rirรฎ / Roman Porno Reboot Project 5
- Genre: Drama, Erotik
- Land / Jahr: Japan 2016 / Deutschland 2020
- Laufzeit: 85 min.
- Studio / Vertrieb: Django Film, Nikkatsu / Busch Media Group
- Regie: Hideo Nakata
- Darsteller: Rin Asuka, Kaori Yamaguchi, Kanako Nishikawa, Shรดma Machii, Ichiro Mikami, Yuki Enomoto, Miki Hayashida
- Format (Bild + Ton): Blu-ray (1920x1080p /2.35:1), Region Code: B, DTS-HD 5.1 (Japanisch, Deutsch), Untertitel: Deutsch, auch als DVD und Stream (u.a. beiย Amazon) erhรคltlich
- Extras: Trailer