Nach dem Blick über „den großen Teich“ stellt sich in diesem Teil der Historie des Pornografischen Films nun die Frage, was zeitgleich wiederum in Europa geschehen ist. Man kann soweit gehen, und diesbezüglich von einer diametral entgegengesetzten Entwicklung sprechen.
Wie zuletzt deutlich wurde, war der Sexfilm der Roosevelt-Ära krude und gewalttätig, sowie auch handwerklich nicht sonderlich gut. In Europa und speziell Frankreich jedoch, erlebte die Pornographie einen neuen qualitativen Höhepunkt.
Pornografie zwischen Krieg und Kunst
In den Jahren zwischen 1930 und 1938, also bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurden in Frankreich, neben einer nicht überschaubaren Menge an Amateur-Produktionen, zahlreiche Filme gedreht, bei denen der Begriff „Kunst“ erstmalig nicht unangemessen erscheint.
Während in Amerika zu dieser Zeit der Porno unter dem Ladentisch gehandelt wurde, gehörte er in Frankreich einer anerkannten Subkultur an und war in Bordellen und ähnlichen Etablissements ganz offiziell anzutreffen.
Französische Pornos zwischen Autorenfilm und Avant Garde
Speziell einer der ersten „Autorenfilmer“ auf diesem Gebiet, ein gewisser „Dominique“, machte sich bald einen Namen, indem er tatsächlich so etwas wie künstlerische Ambition in seine Werke einfließen ließ. Möglich war dies in Frankreich deshalb, weil hier, anders als sonst wo auf der Welt, die sexuelle Subkultur gesellschaftlich wesentlich angesehener war.
Dadurch konnte auch ein Vertriebsnetz entstehen, welches bewirkte, dass man sich nicht um Heimlichkeit vor den Ordnungshütern kümmern musste und somit eine Art „wirtschaftlichen Aufschwung“ des Pornofilms begünstigte.
Im Vergleich dazu: In Amerika musste zur selben Zeit der Markt durch kleinste Vertriebe und Produktionen befriedigt werden, was der Qualität der Filme logischerweise nicht zugute kam.
Ein Beispiel für einen qualitativ hochwertigen Film dieser Ära stellt „Vices“ von 1938 dar. Ein früher Chronist des Pornographischen Films, Adou Kyrou, hält diesen Streifen für einen der besten des Genres überhaupt. Das liegt jedoch nicht in der besonders gelungenen Umsetzung einer Handlung oder einer auffällig guten Montagetechnik, sondern ganz im Gegenteil: „Vices“ lässt jede Struktur vermissen und montiert fast nur zahlreiche Nahaufnahmen aneinander. Was daraus entsteht ist ein frühes Beispiel pornografischer Avant Garde, welches Adou sogar an Werke der Surrealisten erinnert.
Ob Adou hier zu hoch greift sei dahingestellt, denn „Vices“ könnte ebenso aus purem Zufall entstanden sein. Wie dem auch sei, der Film weist tendenziell den Weg in die folgende Zeit. Mehr und mehr fällt das Beiwerk, die Rahmenhandlungen und spezifischen Elemente des Genres, was durch den nüchternen Blick auf den sexuellen Akt ersetzt wird.
Der pornografische Film in der Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Europa zunächst damit beschäftigt, die geschlagenen Wunden verheilen zu lassen. Verständlich, dass in diesem Klima Sexualität – eine „Sache“, die den Menschen geblieben war, unabhängig von äußeren Einflüssen – ein wichtiges Thema war.
Somit begann sich nun auch das Publikum des Pornographischen Films zu verändern. Zunächst jedoch, war die Zielgruppe immer noch die des Mittelstandes und aufwärts, was sich erst Mitte der vierziger Jahre langsam wandelte.
Gerade diese Zeit des Umbruchs ließ noch einige Perlen entstehen. Ein Beispiel dafür ist der Film „La Femme au Portrait“, welcher nicht zufällig allein vom Titel her an Fritz Langs Meisterwerk des Film Noir „The Woman in the Window“ (1944) erinnert. Auch dieser Film ist an der Grenze zwischen Traum und Realität angesiedelt und behandelt, ähnlich wie der Film Noir an sich, die Angst des Mannes vor der emanzipierten Frau. Auch kann „La Femme au Portrait“ als ein weiterer früher Vertreter des heute populären Subgenres des pornographischen Remakes erfolgreicher Filme angesehen werden.
Bis in die vierziger Jahre war der Porno trotz zahlreicher technischer Neuerungen und von außen beeinflusster Hoch- und Tiefphasen in sich relativ unverändert. Er blieb immer noch eine Sache, die in gewisser Weise im Untergrund verhaftet war, bzw. nur für bestimmte Gruppen interessant war und brauchte sich nicht in der öffentlichen Diskussion zu behaupten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat jedoch die Veränderung ein. Nicht nur, das die organisatorischen und technischen Möglichkeiten größer wurden, es wuchs zudem ein Bewusstsein um die Bedeutung des Pornofilms im Sinne seiner ganz eigenen Thematik: der menschlichen Sexualität.
Bis hierher war er trotz allem immer noch ein eher naiver Blick in die „verbotene Welt“. Die Gesellschaft musste erst reifen, um diese „verbotene Welt“ als einen ganz natürlichen Teil des menschlichen Daseins zu akzeptieren.